
Flexiblere Stromnetze dank Eisen-Luft-Akkus
Die Geschichte beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. Damals fanden MIT-Ingenieure heraus, wie sich der Korrosionsprozess umkehren lässt – eine Entdeckung, die sich zur Herstellung von Batterien nutzen lässt. Im Gegensatz zu dem seltenen und teuren Material Lithium ist Eisen billig, da es oft vorkommt. Und so gehen Schätzungen für Eisen-Luft-Batterien von ca. 20 US-Dollar pro Kilowattstunde aus, während Lithium-Ionen-Akkus in etwa das Zehnfache kosten.
Maximaler Speicher zum Niedrigpreis
Diese Angaben stammen vom Unternehmen Form Energy, einer aus dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) hervorgegangenen Ausgründung in Virginia, die bald in die Massenproduktion von Eisen-Luft-Akkus einsteigen will. Zu diesem Zweck hat Form Energy ein 223.000 Quadratmeter großes Grundstück erworben, das in Wierton, West Virginia, liegt. Neben den deutlich niedrigeren Herstellungskosten gibt es laut Hersteller noch einen weiteren Vorteil: die lange Speicherzeit von Eisen-Luft-Akkus – 100 Stunden sollen die neuartigen Batterien Energie speichern.
Mateo Jaramillo, CEO von Form Energy und bis 2016 Energiespeicher-Verantwortlicher bei Tesla Energy, erzählt, dass das Unternehmen 2021 an der Skalierung der Produktion gearbeitet habe; demnächst könne es in die Massenproduktion einsteigen. Jaramillo ist überzeugt, dass das Verfahren einen Durchbruch hin zur angestrebten Dekarbonisierung darstellen könnte. Selbst bei Extremwetter oder Netzausfällen lasse sich erneuerbare Energie längere Zeit speichern und dadurch verfügbar machen.
Einmal Rost in Eisen und zurück
Die Funktionsweise der Akkus ist denkbar einfach: Dadurch, dass Rost in elementares Eisen umgewandelt wird, wird Energie gespeichert. Wird der Akku entladen, kommt es zur Reaktion von Sauerstoff aus der Luft mit dem Eisen zu Eisenoxid: Rost. Das MIT nennt den Vorgang „umgekehrtes Rosten“ und möchte mit den Eisen-Luft-Akkus nun in Serie gehen.
Begrenzte Anwendbarkeit
So vorteilhaft die neue Technologie auch scheint – Lithium-Ionen-Batterien haben dennoch nicht ausgedient. Denn nicht nur aufgrund des langsamen Be- und Entladevorgangs eignen sich die Akkus nicht für Elektroautos; auch aufgrund ihrer Größe und des hohen Gewichts. Zum Vergleich: Jedes Batteriemodul hat die Größe einer Waschmaschine. In ihrem Inneren befinden sich ca. 50 Zellen mit Eisen- und Luftelektroden, über die die elektrochemische Reaktion läuft. Außerdem befindet sich in jeder Zelle ein nicht brennbarer Elektrolyt auf Wasserbasis.
Große Weiten
Mehrere Hundert dieser in robusten Gehäusen untergebrachten Batteriezellen sind zu Leistungsblöcken zusammengefasst, von denen wiederum mehrere an das Stromnetz angeschlossen werden. Um eine Vorstellung von der notwendigen Ausdehnung zu bekommen, muss man sich vor Augen führen, dass für ein System der Speicherleistung 1 Megawatt eine Fläche von einem halben Hektar benötigt wird. Und je nach Bedarf werden etliche solcher Energieblöcke im Megawattbereich an das Stromnetz angeschlossen – entsprechend groß ist dann der Platzbedarf.
Ideal für den Netzbetrieb
Die ideale Anwendung werden Eisen-Luft-Batterien also vermutlich im Netzbetrieb finden. Dort könnten sie Strom, der bei heftigem Wind oder starker Sonneneinstrahlung hergestellt und nicht unmittelbar abgenommen wird, speichern, bis er seine Abnehmer findet. Autoevolution zufolge ist von einer Leistungsfähigkeit von 7,5 Megawatt je Hektar auszugehen.
Quellen: t3n.de, Raimund Schesswendter, 25.01.2023; golem.de, Werner Pluta, 23.01.2023; edison.media, Wolfgang Kempkens, 20.01.2023
Bild: Form Energy