
Nordsee soll zum „grünen Kraftwerk“ Europas werden
Im Verbund mit Dänemark, Belgien und den Niederlanden möchte die Bundesregierung dem Ausbau der Offshore-Windenergie einen entscheidenden Wachstumsschub geben und die Zusammenarbeit stärken. Vier Nordseestaaten wollen ihre Offshore-Leistung bis 2030 vervierfachen und gemeinsam mindestens 65 Gigawatt erreichen, darauf einigten sich die Regierungschefs im Mai in der Stadt Esbjerg, einer Stadt an der dänischen Küste. Bis 2050 soll sich die heutige Leistung auf 150 Gigawatt verzehnfachen.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in Esbjerg, dass Offshore-Windparks in der Nordsee schon heutzutage großflächig und wirtschaftlich zur Stromerzeugung genutzt werden. „Das ist also keine Geschichte aus der Zukunft, das ist ein Bericht aus der Gegenwart.“ Man müsse laut Scholz nun endlich anfangen und Milliarden in den Ausbau von Windparks auf dem Nordsee-Schelf investieren. „Jetzt ist der Zeitpunkt für den Aufbruch, und jetzt brechen wir auf.“, so Scholz. Gemeinsam mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und dem belgischen Premier Alexander De Croo unterzeichnete Olaf Scholz vor einer Kulisse sich drehender Windräder und riesiger Turbinenteile das entsprechende Manifest. Es sieht außerdem eine Kooperation für die künftige Herstellung von grünem Wasserstoff aus Offshore-Windenergie vor, bei dessen Produktion kein Treibhausgas CO2 erzeugt wird.
Die Leistung sollte auf 30 Gigawatt steigen
„Das ist nicht nur eine Erklärung, sondern der Werkzeugkasten für das, was wir zu tun haben und in der nächsten Zeit tun werden“, sagte Scholz, der mit Vizekanzler Robert Habeck nach Dänemark gereist war. Habeck betonte zudem, dass damit erstmals echte europäische Gemeinschaftskraftwerke gebaut würden. Es sei außerdem ein Zeichen des Friedens und der stärkeren Unabhängigkeit von Kriegstreibern wie Russland. Der Wirtschaftsminister sagte, der Gipfel sei angesichts des Kriegs zu spät gekommen, es sei jedoch immer gut, anzufangen. Laut Habecks nationalem „Osterpaket“ soll die Leistung deutscher Offshore-Windparks bis 2030 von 7,8 Gigawatt auf mindestens 30 Gigawatt steigen. Bis dann sollen 80 % des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Quellen stammen.
Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen lud ihre Amtskollegen in den Hafen von Esbjerg ein – einst Drehscheibe der Öl- und Gasindustrie – wo heute Hersteller wie Vestas Turbinen und Rotorblätter herstellen und in die ganze Welt verschiffen. „Der grüne Wandel findet statt. Aber er findet bisher nicht schnell genug statt“, sagte die Sozialdemokratin.
Die Produktion von grünem Wasserstoff soll ausgebaut werden.
Die Nordsee soll zum „grünen Kraftwerk“ Europas werden. Mit den gesetzten Zielen müsste es der EU möglich sein, mit mehr als der Hälfte der Offshore-Energie, die dort produziert werden kann, klimaneutral zu werden, meint Frederiksen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, welche auch nach Dänemark gereist war, begrüßte die Zusammenarbeit der EU-Staaten und kündigte eine deutliche Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für die Windenergiebranche an. „Je stärker wir in Europa voneinander abhängig sind, desto weniger abhängig sind wir von Russland“, sagte von der Leyen in Esbjerg.
Am selben Tag stellte die Europäische Union 300 Milliarden Euro in Aussicht, die das Bündnis der Nationen schneller unabhängig von russischer Energie machen sollen. Darüber hinaus hat die Kommission vorgeschlagen, das Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 von 40 % auf 45 % anzuheben.
In einer zweiten Erklärung einigten sich die Energieminister der vier Länder zudem darauf, bis 2030 auch die Produktion von sogenanntem grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen deutlich ausbauen zu wollen. Wirtschaftsminister Robert Habeck sprach von einem Meilenstein in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.
Quelle: handelsblatt.com, 18.05.2022
Bild: Andrew Martin auf Pixabay